Zwischen Sonnentor und Mondplatz' 1993-1994

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Sonnentor
Das Ziel dieser Konzeption ist es, die Pschorrhöfe so zu verbinden, dass für die Fußgänger zwischen Hackerbrücke und Theresienwiese ein Erlebnisraum entsteht, der zum Verweilen und Flanieren auffordert. Die Konzeption berücksichtigt die Nord-Südlage der Hackergasse und ist so geplant, dass sie von dieser Gasse als eine von allen Seiten erlebbare Achse von 100 Metern Länge und vier Metern Breite aufgenommen werden kann.
Betritt man die Hackergasse von Bayerstraße, steht 17 Meter hinter dem Brückenaustritt ein Sonnentor aus hellem Granit, das 4,60 x 4,00 x 0,40 Meter misst. Dieses Tor ist nicht zu durchschreiten. Es dient allein der Sonne. Die wirft zur >wahren Mittagszeit< ihr Licht durch den Winkel von 70° ausgerichteten Torschlitz auf die durch den Schlitz fühende Meridianlinie, eine 40 Meter lange und 15 Zentimeter breite Linie aus schwarzem Granit. Sie reicht von beiden Seiten des Tores bis zu den Fassadenstützen, ist bündig mit dem Straßenpflaster und verdeutlicht auch ohne Sonnenschein die >wahre Mittagszeit<. Fünf Meter nach dem Sonnentor beginnt, in einer Höhe von 55 Zentimetern, ein heller Granitgrat, dessen Querschnitt die form eines Dreiecks hat. Er steigt gegen das Straßengefälle an und erreicht nach 76 Metern eine Höhe von 2,40 Metern. Wenn er nach 60 Metern Augenhöhe erreicht hat, ragt er in ein flaches Wasserbecken aus schwarzem Granit mit einer maximalen Tiefe von 15 Zentimetern. In der Mitte ist der Grat auf seiner gesamten Länge, bis zur Sohle, so geschlitzt, dass ein Zwischenraum von 5 Zentimetern entsteht, der einen Wasserlauf aufnimmt und das 34 Meter lange und 4 Meter breite Becken speist. Im letzten Teil des Beckens befindet sich der Mondplatz: 28 kreisförmige weiße/schwarze Granitsteine mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern, angeordnet in vier Reihen zu je sieben Steinen, auf denen die Mondphasen dargestellt sind.


Realisiert 1993 am Europäischen Patentamt in München.


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Sonnentor - Zeichnung
Zeichnung auf Transparent, Mischtechnik, 1992
188 x 125 cm
In den Gang der Gestirne, der Sonne und des Mondes, eingebunden hat Voth seine nächste, 1992/93 realisierte Großskulptur zwischen Sonnentor und Mondplatz vor dem Münchener Patentamt. Architektonisch handelt es sich dabei um die Verbindung der Pschorrhöfe zwischen Hackerbrücke und Theresienwiese, die zum Erlebnisraum gestaltet werden sollte. Voth hat ein philosophisch hintergründiges Bauwerk von spröder Schönheit geschaffen. Mit dem >Sonnentor< korrespondiert am anderen Ende der Anlage der >Mondplatz<. Sie werden verbunden durch das im Steingrat fließende Wasser. Somit wird eine Vielfalt symbolischer Bezüge gestiftet, und die Spiegeleffekte im Wasser tun das Ihrige, um den ästhetischen Reiz dieser Anlage zu erhöhen. Die menschliche Lebenszeit und Lebensreise, die am Dietersheimer >Lebensbogen< so sinnlich >augenfällig< wurde, wird hier in kosmische Bezüge eingespannt. Der Arbeit in einem Patentamt entspricht die wissenschaftliche Präzision der Anlage, deren Sonnentor die >wahre Mittagszeit< einfängt und ihr Licht auf eine Meridianlinie lenkt. Heller Granit des Tores und des dreieckigen Steingrats und schwarzer Granit des Wasserbeckens bilden einen edlen Kontrast.

Christian W. Thomsen, Projekte im Öffentlichen Raum
in: Zeittzeichen Lebensreisen